Irgendwann im Jahre 1991 rief mich der damalige Chef des Dom-Gymnasiums, Oberstudiendirektor Hans Niedermayer, an und fragte mich, ob ich nicht meine Fähigkeiten als Jurist bei der Gründung eines Fördervereins einbringen könnte. Das fragte er ausgerechnet mich, der ich seit meiner Studienzeit keinem Verein mehr beigetreten war und mir fest vorgenommen hatte, mich jeglicher Vereinsmeierei zu enthalten.
Sollte ich jetzt sogar einen Verein gründen?
Zumindest wollte ich Herrn Niedermayer nicht sofort einen Korb geben. Da mag tief im Unterbewusstsein eine Rolle gespielt haben, dass ich am Dom-Gymnasium gelernt hatte, Aufforderungen von Lehrern nicht einfach zu ignorieren. So machte ich mir eingehend Gedanken darüber, was da auf mich zukäme. Bedenken hatte ich wegen des damit verbundenen Arbeitsaufwands. Beruflich war ich – damals noch stellvertretender Direktor des Amtsgerichts Freising – stark belastet, so dass ich schon damals meine Hobbys stark einschränken musste. Die Vereinsarbeit würde auch noch zu Lasten der Familie gehen. Nicht umsonst hatten vor mir schon einige Kandidaten, die Herr Niedermayer darum gebeten hatte, abgesagt. Da war es mir sehr wichtig, dass meine Familie damit einverstanden war. Ich hatte auch große Zweifel, ob ich der geeignete Mann für das Amt eines Vereinsvorsitzenden wäre. Ich bin nicht der geborene Volkstribun und mir graute damals davor, vor größeren Versammlungen sprechen zu müssen. Andererseits war gerade dies eine gewisse Herausforderung.
Doch packte mich auch eine gewisse Neugierde. Die Erinnerung an meine Schulzeit am Dom-Gymnasium war knapp 30 Jahre nach dem Abitur noch sehr lebendig. Es war die Erinnerung an den Frust über nie enden wollende Unterrichtsstunden, über die Last der Hausaufgaben, den Druck vor Schulaufgaben und die Enttäuschung, wenn ich schlecht benotet oder mich ungerecht behandelt fühlte. Es war aber auch die Erinnerung an Glücksgefühle, wenn ich gute Noten erhielt, und an schöne Zeiten bei gemeinsamen Unternehmungen mit Klassenkameraden, auch an interessante Unterrichtsstunden, die mir fürs Leben etwas gebracht haben. Diese positiven wie negativen Erinnerungen bildeten die Basis für die Meinung, die ich mir bis dahin vom Dom-Gymnasium gebildet hatte. Mir war dabei immer klar, dass diese Erinnerungen sehr subjektiv waren und nur ein kleines Segment abdeckten; ich hatte mir meine Meinung aus der Froschperspektive eines Schülers gebildet.
Wie aber war die Schule wirklich?
Ich wollte auch gerne wissen, was sich seit meiner Schulzeit verändert hatte. Ist die Schule so geblieben, wie sie war, oder – umgekehrt – gibt es überhaupt noch Ähnlichkeiten des heutigen Dom-Gymnasiums mit der Schule von damals? Über meinen Sohn, der damals das Dom-Gymnasium besuchte, wie auch über meine Frau, die selbst an einem Münchner Gymnasium unterrichtete, wusste ich zwar, dass sich seit meinem Abitur 1963 in den Schulen und auch am Dom-Gymnasium viel getan hatte, trotzdem hatte ich mich innerlich vom allgemeinen Schulbetrieb weit entfernt, die Schule war für mich weitgehend eine fremde Welt. Es reizte mich, sie neu kennen zu lernen.
Besonders interessant erschien es mir, Gespräche zu führen mit ehemaligen Schülern, die sich in unterschiedlichste Richtungen hin entwickelt haben. Als ehemalige Dom-Gymnasiasten waren sie Professoren, Lehrer, Ärzte, Bischöfe, Politiker, Historiker, Schriftsteller, Maler, Musiker, Philologen, Mathematiker, Physiker, Diplomaten, Unternehmer, Hebammen, Abenteurer usw. geworden.
Wie haben sie die Zeit am Dom-Gymnasium empfunden bzw. wie sehen sie die heutige Schule?
Welche im Dom-Gymnasium vermittelten Werte waren für sie in ihrem späteren Leben wichtig? Inwieweit war die am Dom-Gymnasium vermittelte Bildung für sie wertvoll? Als vorsichtiger Mensch erkundigte ich mich noch, was die anderen Schulen machen und wie es denen ergeht. Haben sie auch einen solchen Verein? Und siehe da: Die “Konkurrenz” vom Camerloher-Gymnasium hatte schon längst einen und das Hofmiller-Gymnasium hatte erst wenige Jahre zuvor einen Förderverein gegründet. Der Blick in die Vergangenheit des Dom-Gymnasiums war wenig ermutigend: 1949 war eine “Studiengenossenschaft” gegründet worden. Schon kurz nach der Gründung gab sie kaum noch ein Lebenszeichen von sich. 1984 wurde sie aus dem Vereinsregister gelöscht. Dies ist umso erstaunlicher, als das Dom-Gymnasium eine so genannte “Traditionsschule” ist. Vergleichbare Schulen haben in aller Regel schon seit vielen Jahrzehnten entsprechende Vereine. Es war letztlich eine Besonderheit, dass das Dom-Gymnasium noch keinen Förderverein hatte. Trotzdem war es verbreitete Meinung im Lehrerkollegium, dass es das Dom-Gymnasium nie schaffen würde, einen Förderverein zu gründen. Ich habe in diesem Zusammenhang darüber nachgedacht, woran dies liegen könnte.
Hält man am Dom-Gymnasium besonders wenig von Tradition?
Waren sich Schüler, Lehrer und Eltern der Fürsorge des Staates immer sicher, weshalb sie zusätzliche Unterstützung der Schule durch einen Verein für überflüssig hielten? War es gar so, dass Dom-Gymnasiasten besonders staatsgläubig waren und deshalb Privatinitiative in diesem Bereich unpassend fanden? Tatsächlich brauchte ja das Dom-Gymnasium in früheren Zeiten nichts zu befürchten. Es war das führende Gymnasium am Ort. Für viele Eltern und Schüler gab es schon aus Gründen der Tradition keine Alternative. Es dürften insgesamt Jahrzehnte gewesen sein, in denen ehemalige Dom-Gymnasiasten den bayerischen Kultusminister stellten, was als eine Art Bestandsgarantie empfunden wurde. Doch die Zeiten wandelten sich. Auch Kultusminister (zuletzt der ehemalige Schüler Hans Zehetmair) können nichts daran ändern, dass die am Dom-Gymnasium vermittelte humanistische Bildung nicht mehr dem Zeitgeist entspricht. Dazu kam, dass das erzbischöfliche Knabenseminar, das ganze Klassen am Dom-Gymnasium stellte, aufgelöst wurde. Die Neueinschreibungen gingen deshalb 1991 auf gut 40 zurück. Bei einer Fortsetzung dieses Trends hätte das Dom-Gymnasium in dieser Form nicht mehr weiter existieren können. Es waren schon Überlegungen im Gange, aus ihm ein Wirtschaftsgymnasium zu machen, ein Schulzweig, der mit dem alten Dom-Gymnasium nichts mehr gemein gehabt hätte. Sollte es soweit kommen, dass man in Freising, einer Stadt mit demnächst 50.000 Einwohnern, seine Kinder nicht mehr auf ein humanistisches Gymnasium bzw. ein neusprachliches Gymnasium mit grundständigem Latein schicken kann? Wie soll da Freising noch seinem Ruf als Schulstadt gerecht werden? Sollen die Bildungsinhalte, die den Schülern des Dom-Gymnasiums über mehr als 150 Jahre vermittelt worden sind und nach wie vor ihre Berechtigung haben, aufgegeben werden, nur weil sie zur Zeit nicht sonderlich im Trend liegen?
Auch der Gesichtspunkt der Dankbarkeit spielte für mich eine Rolle. Dankbarkeit für Lehrer, die oft weit mehr leisteten, als sie hätten leisten müssen. Dies wurde mir erst im Nachhinein bewusst. Wie leicht ist es, Lehrer zu kritisieren, die wenig Lust haben, außerhalb des eigentlichen Unterrichts mehr oder weniger gekonnte Schüleraufführungen zu besuchen, Projekttage zu gestalten, freiwillig Zusatzstunden zu geben, Schulfahrten zu organisieren und dabei mit Schülern Tag und Nacht bei primitiver Unterbringung unterwegs zu sein und an den Wochenenden Klassentreffen mit ehemaligen Schülern zu besuchen. Wer solche Kritik übt, sollte sich fragen, ob er in einer ähnlichen Situation solchen Idealismus an den Tag legen würde. Aktive Schüler stellen sich diese Frage nicht. Man darf ihnen das auch nicht verdenken; dazu fehlt Jugendlichen die notwendige Reife. Wie ist es aber bei ehemaligen Schülern? Wer selbst im Berufsleben steht, weiß, dass manches, was wir von den Lehrern verlangen, nicht selbstverständlich ist. Jeder mag sich selbst fragen, ob er heute in seinem Beruf z.B. abends noch auf eine Veranstaltung gehen würde, die ein Mitarbeiter auf freiwilliger Basis organisiert hat. Ich habe am Amtsgericht die Erfahrung gemacht, dass die Resonanz für derartige Veranstaltungen gegen Null geht, an die freiwillige Teilnahme an Veranstaltungen an Wochenenden wäre gar nicht zu denken. Bei Lehrern finden wir das selbstverständlich. Das Argument, die Lehrer würden doch gut bezahlt werden und hätten viel Ferien, steht nicht dagegen. Auch in anderen Berufen wird leistungsgemäß bezahlt und der Urlaub ist meist nur noch geringfügig kürzer als die Ferien. Ist es da nicht an der Zeit, die Leistung vieler Lehrer zu würdigen und ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass es auch ein Dankeschön ehemaliger Schüler gibt? In anderen Staaten wie z.B. in den USA ist es selbstverständlich, dass die Ehemaligen nach dem Abschluss ihre Schule unterstützen und auf diese Weise ihren Dank abstatten.
Je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass ein Bedarf für einen Förderverein des Dom-Gymnasiums bestand. Ich sagte also OStD Niedermayer zu und führte mit ihm eingehende Gespräche über die Ziele des Vereins und seine konkrete Ausgestaltung. Die Ziele ergaben sich unmittelbar aus den oben dargelegten Vorüberlegungen. Der Verein sollte einerseits den Zusammenhalt der ehemaligen Schüler, Lehrer und Schülereltern festigen, andererseits die bestehende Schule fördern.
Dann ging es Schlag auf Schlag. Zunächst war es wichtig, Adressen von möglichen Vereinsmitgliedern zu sammeln. Der Vorgänger Niedermayers, Oberstudiendirektor Diepolder, hatte zu diesem Zweck eine umfangreiche Liste mit Adressen ehemaliger Schüler erstellt. Aus der Lehrerschaft erhielt ich viel Unterstützung, der Elternbeirat machte mit und – was mich besonders freute – der Abiturjahrgang 1991 bot mir seine Hilfe an. Ende 1991 fanden erste Vorbesprechungen zur Satzung statt. Mit tatkräftiger Unterstützung des Notars Peter Muthig, selbst Gründungsmitglied, wurde die Satzung entworfen. Am 15.2.1992 war es soweit. Über 80 ehemalige Schüler, Lehrer und Schülereltern beschlossen die Satzung und traten dem Verein bei. Gleichzeitig wurde der Vorstand gewählt. Die erste Hürde war genommen.
Im Rückblick kann man heute, gut 10 Jahre später, sagen, dass der Verein eine Erfolgsgeschichte ist. Dennoch möchte ich den Leser nicht mit einer Aufzählung aller Veranstaltungen und sonstigen Unternehmungen langweilen. Wer nicht dabei war, wird damit wenig anfangen können. Ich möchte lieber darüber berichten, inwieweit ich heute meine damaligen Ziele verwirklicht sehe, welche meiner damaligen Zielvorstellungen falsch waren und welche Vorstellungen nicht umgesetzt werden konnten.
Ein wichtiges Ziel war es, ehemalige Schüler, Lehrer und Schülereltern wieder für ihre ehemalige und die heutige Schule zu interessieren und ihre Neugierde darüber, wie es früher wirklich war und wie es heute ist, zu befriedigen. Dieses Ziel wurde mit dem Verein wohl am besten erreicht. An vorderster Stelle ist der “Dom-Spiegel”, das jährliche erscheinende Mitteilungsblatt, zu nennen. Erster Redakteur war Studiendirektor Peter Waltner. Er stellte jedes Heft unter ein Motto: “Tradition und Fortschritt”, “Das christliche Menschenbild”, “Föderalismus im geeinten Europa”, “Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften”, “Heimat”. Der Bezug zum Dom-Gymnasium bestand darin, dass sich jeweils kompetente ehemalige Lehrer, Schüler und Schülereltern zu diesen Themen äußerten. Dazu kamen Porträts von und Interviews mit ehemaligen Lehrern und Schülern, Rezensionen über Bücher von Ehemaligen, Archivalia zum Schulbetrieb in früheren Zeiten und aktuelle Berichte über die Schule heute. Das hohe Niveau konnte auch sein Nachfolger, Studiendirektor Dr. Manfred Musiol, halten, der allerdings andere Schwerpunkte setzte. Die Hefte befassten sich mit Künstlern und Musikern, Dom-Gymnasiasten im Ausland, Dom-Gymnasiastinnen und Theologen. Von Anfang an mit dabei war der Layouter Markus Franke. Daneben gab der Verein zwei Hefte über die Aktivitäten der Schule heraus: Eines über Arbeiten aus dem Fotokurs von Studiendirektor Helmut Achatz, ein weiteres über Aufführungen der Theatergruppe, redigiert von Studiendirektor Dr. Musiol mit Bildern von Herrn Achatz. Die vorliegende Jubiläumsschrift wird wesentlich vom Verein unterstützt. Schon Anfang 1998 hatte der Verein seine erste Homepage, es folgte eine Newsgroup, durch die vor allem die am Ort wohnenden Mitglieder schnell über die neuesten Entwicklungen und aktuellen Veranstaltungen am Dom-Gymnasium informiert werden konnten.
Dazu kam eine Vielzahl von Vorträgen – hervorzuheben ist das Engagement der Studiendirektoren Glück und Schönhärl -, Musikaufführungen und Ausstellungen ehemaliger und aktiver Schüler, Lehrer und Schülereltern in Abständen von wenigen Monaten. Manch ein Besucher war freilich enttäuscht, wenn er nach Jahrzehnten erstmals wieder in seine alte Schule zu einer Veranstaltung kam und dabei feststellen musste, dass er niemanden kannte. Es entwickelte sich deshalb die Praxis, dass sich die Mitglieder untereinander für einzelne Veranstaltungen verabredeten. Insbesondere bei den jährlich in München stattfindenden Führungen gab es zuletzt eine Gruppe ehemaliger Schüler, die sich bei solchen Gelegenheiten zu einem freudigen Wiedersehen traf.
Ich bin überzeugt, dass diese Möglichkeit, mit der alten Schule wieder in Kontakt zu treten, für die meisten Mitglieder der wichtigste Grund für ihren Beitritt war. Wie erfolgreich der Verein dabei war, zeigt schon die Mitgliederzahl von 390.
Bei dem weiteren Ziel, die jetzige Schule zu fördern, zeigte sich, dass ich mich innerlich schon viel zu weit vom allgemeinen Schulbetrieb entfernt hatte, dass ich in vielen Dingen blauäugig und ahnungslos war.
So schlug ich vor, der Verein solle sich darum kümmern, dass Schülern, die über Mittag in der Schule bleiben müssen, eine Mahlzeit angeboten wird. Ich dachte sogar an eine Nachmittagsbetreuung in der Schule, ein Projekt, das die Kräfte des Vereins weit überstiegen hätte. Herr Niedermayer startete trotzdem eine Umfrage bei den Eltern und siehe da: Trotz der allgemein beklagten Probleme bei der Betreuung der Kinder durch berufstätige Mütter meldete sich nur ein einziges (!) Elternpaar, das daran interessiert war. Ein wichtiger Aspekt war dabei, dass die älteren Schüler anscheinend lieber über Mittag in eine der vielen Imbissstuben in der nahe gelegenen Stadt gehen, als sich vom Hausmeister bekochen zu lassen. Immerhin kann diese Erfahrung vor Fehlinvestitionen beim Aufbau einer Ganztagsschule bewahren.
Nicht ganz so abenteuerlich erschien mir das Ziel, mit Hilfe ehemaliger Schüler die Dom-Gymnasiasten bei der Berufswahl zu unterstützen. Ich scheiterte dennoch: Ich erinnere mich mit Schrecken an eine Veranstaltung zur Information über naturwissenschaftliche und Ingenieurberufe, zu der sogar die Schüler der anderen Freisinger Gymnasien mit eingeladen wurden. Es waren an die acht Referenten gekommen, vom Universitätsprofessor bis zum Leiter der Entwicklungsabteilung eines großen Industrieunternehmens. Die Werbung lief auf allen Ebenen, von der Presse über Plakate an den Schulen und persönliche Ansprache. Zuletzt kamen etwa genauso viele Schüler wie Referenten. Der Besuch bei sonstigen Veranstaltungen zur Berufswahl war mit einer Ausnahme so dürftig, dass sie inzwischen aufgegeben wurden. Ich habe mich immer wieder gefragt, woran das liegt. Wie ist es an anderen Schulen? Da blickte ich mit Staunen auf das Hofmiller-Gymnasium, das mit Unterstützung des dortigen Fördervereins jährlich eine sehr gut besuchte Berufsinformation durchführt. Warum schafft es der Verein nicht auch am Dom-Gymnasium, so was auf die Beine zu stellen? Dazu gab mir die zuständige Sachbearbeiterin des Arbeitsamtes nach der oben erwähnten misslungenen Veranstaltung eine Antwort, die m.E. für alle Aktivitäten des Vereins zutrifft: Der Verein ist für die Schule (ähnlich wie das Arbeitsamt) eine außerhalb stehende Organisation. Veranstaltungen, die von außen für die Schule durchgeführt werden, sind von vornherein zum Scheitern verurteilt. D.h., der Verein kann nur dort helfen, wo seine Hilfe von den Lehrern und Schülern erbeten wird, er kann aber nicht für die Schule Programm machen.
Dies bestätigte sich bei vielen anderen Veranstaltungen. Obwohl die Veranstaltungen in der Schule intensiv beworben wurden und regelmäßig auch gut besucht waren, verirrten sich selten mehr als 2 oder 3 Schüler dorthin. In den letzten Jahren referierten oder musizierten deshalb häufiger ehemalige Schüler, die erst vor wenigen Jahren Abitur gemacht hatten. Dies führte zwar zu einem etwas höheren Anteil aktiver Schüler, die Zahl von 10 dürfte allerdings kaum überschritten worden sein bei insgesamt etwa 650 Schülern. Ein Blick über den Zaun zu anderen Fördervereinen hat allerdings ergeben, dass es dort bei ausschließlich vom Verein organisierten Veranstaltungen ähnlich ist.
Diesen Frust spart sich mancher Verein, indem er die Veranstaltungen in die Unterrichtszeit verlegt. Da braucht man sich wegen der Besucherzahlen keine Sorgen machen, Werbung ist überflüssig. Für den Verein der Freunde des Dom-Gymnasiums wäre es überhaupt kein Problem gewesen, aus der Vielzahl seiner Mitglieder mit beeindruckenden wissenschaftlichen und künstlerischen Karrieren oder abenteuerlichen Lebensläufen Referenten zu gewinnen. Ich habe es noch nie erlebt, dass ein ehemaliger Schüler, der um einen Vortrag gebeten wurde, abgesagt hätte. Ich bin aber diesen Weg bewusst nicht gegangen. Der heutige Schulbetrieb leidet besonders darunter, dass der reguläre Unterricht ständig durch Sonderveranstaltungen wie Klassenfahrten, Landschulaufenthalte, Schüleraustausch, Projekttage, Aktionstage, Orchesterproben usw. beeinträchtigt wird. Soll in dieser Situation auch noch der Verein darauf drängen, dass auf Kosten des regulären Unterrichts Veranstaltungen durchgeführt werden? Ich hielt und halte dies bei einem Verein, der die Schule fördern will, für sehr problematisch. Der reguläre Unterricht soll nicht zur Ausnahme werden, sondern Regel bleiben, damit die zentralen Aufgaben der Schule bewältigt werden. Ausnahmsweise halte ich Veranstaltungen des Vereins in der Unterrichtszeit dann für sinnvoll, wenn ohnehin kein regulärer Unterricht mehr stattfindet, nämlich am letzten Schultag vor den Ferien. Für diese Tage habe ich der Schule angeboten, unter den Mitgliedern kompetente Referenten zu suchen und entsprechende Veranstaltungen zu organisieren. Ein Versuch war recht erfolgversprechend (Dr. Herrmann, Jurastudium in Amerika). Vielleicht ist dies in der Zukunft ein Weg, um die immensen Ressourcen, die in den Vereinsmitgliedern stecken, auszuschöpfen. Noch schöner wäre es jedoch, wenn die Vereinsaktivitäten dazu beitragen könnten, dass die Schüler mehr Eigeninitiative entwickeln und nicht nur passiv das Angebot der Schule nutzen, sondern auch die durch den Verein angebotenen Veranstaltungen außerhalb der Unterrichtszeit besuchen würden. In der modernen Arbeitswelt spielen zwar die im regulären Unterricht erworbenen Fähigkeiten eine zentrale Rolle, wichtige ist aber auch Eigeninitiative, die sich vornehmlich in Aktivitäten außerhalb des Unterrichts und den von der Schule organisierten Veranstaltungen entwickelt.
Neben dem Angebot von Referaten gibt es bei anderen Fördervereinen auch sonst Aktivitäten, die ich bewusst nicht übernommen habe. Dazu gehört die Stiftung eines Förderpreises für Schüler. Einerseits werden von der Heel´schen Stiftung bereits Stipendien vergeben, andererseits halte ich die Auswahl der Preisträger für äußerst problematisch. Ich persönlich würde dabei weniger die Schüler mit den besten Noten auszeichnen – sie werden durch das gute Zeugnis und die sich daraus ergebenden besseren Chancen belohnt – sondern Schüler, die sich durch soziales Engagement, Privatinitiative oder Teamfähigkeit hervorgetan haben. Dies zu beurteilen dürfte allerdings für den Verein sehr schwer sein, da er nicht den notwendigen Einblick in den Schulalltag hat. Ich sehe jedenfalls derzeit keinen transparenten und wirklich gerechten Modus für die Auswahl möglicher Preisträger.
Es bleibt die finanzielle Hilfe für die Schule. Durch den Verein besitzt die Schule neben der Elternspende einen weiteren Topf, aus dem wichtige Aktivitäten finanziert werden können. So zahlte der Verein alle Jahre 1000 DM für die aufwändige Gestaltung des Jahresberichts, es wurden unterschiedliche Beträge für den Schüleraustausch, den Tag der offenen Tür, für musikalische Veranstaltungen, eine Verstärkeranlage, Biertische und Bänke, den japanischen Garten, Ausstellungen und vieles mehr zur Verfügung gestellt. Dass die Säulenhalle heute als Ausstellungsraum genutzt werden kann, ist wesentliches Verdienst des Vereins. Nicht zuletzt wäre die Herausgabe dieses Buches ohne die Unterstützung des Vereins kaum möglich gewesen.
Im Ergebnis hat der Verein meines Erachtens sein Ziel, das Interesse ehemaliger Schüler, Lehrer und Schülereltern an der Schule zu verstärken und ein Gemeinschaftsgefühl unter ihnen zu entwickeln, erreicht. Bei der Zusammenarbeit mit der aktiven Schule dürfen die Ziele nicht zu hoch gesteckt werden. Ich sehe das Verhältnis Verein-Schule eher so wie das Verhältnis erwachsener Kinder zu ihren Eltern und umgekehrt: Man mischt sich nicht in die Angelegenheiten des anderen ein, bietet aber bereitwillig Hilfe an, wo sie erbeten wird.
Seit Sommer 2002 ist Wolfgang Illinger mein Nachfolger als Vorsitzender. Ich bin sicher, dass der Verein mit ihm einen guten Vorsitzenden hat. Er hat 1991 am Dom-Gymnasium Abitur gemacht und kennt dadurch noch viele Lehrer aus seiner Schulzeit. Als Schüler war er Schülersprecher und bringt dadurch ideale Voraussetzungen mit, um die Verbindungen zwischen Verein und Schule zu stärken. Ich selbst blieb wie alle übrigen Vorstandsmitglieder im Vorstand, so dass auch die Kontaktpflege zu den älteren Ehemaligen gesichert sein dürfte.
Ich habe eingangs erwähnt, dass ich meine Tätigkeit im Rahmen der Vereinsgründung nutzen wollte, herauszufinden, wie meine Schule früher wirklich war und inwieweit sie sich verändert hat. Tatsächlich sehe ich jetzt das Dom-Gymnasium heute in vielerlei Hinsicht anders.
Mir wurde bewusst, dass die humanistische Tradition nicht durchgehend seit Gründung der Schule besteht. Z.B. entsprach der Fächerkanon in den 30-er Jahren und während des Zweiten Weltkrieges eher einem neusprachlichen Gymnasium. Trotzdem fühlen sich die damaligen Schüler dem heutigen Dom-Gymnasium sehr verbunden, sogar solche, die während der 50-er Jahre den mathematisch-naturwissenschaftlichen Zweig der Schule besuchten, der später zum Hofmiller-Gymnasium wurde. Unter den Schülern der 50-er und 60-er Jahre gibt es viele, die das Dom-Gymnasium als zu streng empfanden, andere schätzten das große Engagement und auch das hohe Niveau der Lehrer; das Urteil war aber stets sehr differenziert. Insgesamt wird von den allermeisten anerkannt, dass das Dom-Gymnasium eine gute Ausgangsbasis für steile und steilste Karrieren war, dass es gut auf Studium und Beruf vorbereitet hat.
Seit Gründung des Vereins nehme ich regelmäßig an den Abiturfeiern teil. Aufmerksam habe ich die Abiturreden der Schüler und ihr Verhalten beobachtet. Ich hatte auch immer wieder Gelegenheit, mit frisch gebackenen Abiturienten und aktiven Schülern sowie Schülereltern und Lehrern zu sprechen. Der Vorwurf, das Dom-Gymnasium sei zu streng, wird kaum mehr laut. Im Umgang miteinander wirken Lehrer und Schüler unverkrampft. So wie es gute und schwache Schüler gibt, gibt es – wie an allen Schulen – gute und weniger gute Lehrer. Das Dom-Gymnasium will nicht (mehr) Eliteschule sein, möchte aber ein Profil zeigen, das es für Kinder mit besonderen Interessen und Begabungen attraktiv macht. Dieses zeigt sich insbesondere im Fächerkanon mit Latein als erster Fremdsprache und der Möglichkeit, Altgriechisch zu lernen. Schon daraus wird deutlich, dass das Dom-Gymnasium besonders günstige Bedingungen bietet für Kinder, die sprach-, kultur- und geisteswissenschaftlich interessiert sind und Freude am logischen Denken (Latein!) haben, so dass auch mathematisch-physikalisch interessierte Kinder gut aufgehoben sind; dies wurde durch die Vergabe renommierter Preise an Dom-Gymnasiasten unter Beweis gestellt.
Das eigentliche “Profil” der Schule ist schwer in Worte zu fassen. Es handelt sich um Eigenheiten, die sich über Jahrzehnte entwickelten und vielen kaum bewusst sind. Vor allem aber sind es die in dieser Zeit geschlossenen Freundschaften, die das Bild der Schule prägen und manchmal auch verklären. Sie wurden in dem besonders prägenden zweiten Lebensjahrzehnt geschlossen und halten oft ein Leben lang. Sie gehören zur Schule wie die Wissensvermittlung und die Erziehung. Dieses “Profil”, das außerhalb des Lehrplans entsteht, kann von der Schule nicht bewusst gesteuert werden; es entsteht, je nach dem, welche Schüler die Schule besuchen, welche Lehrer unterrichten und wer der Schulleiter ist. Es ist aber gerade das Besondere an der ehemaligen Schule, das Ehemalige nicht missen wollen. Trotz des Wandels in der Schule möchten sie, ihre Lehrer und Eltern spüren, dass das Dom-Gymnasium noch “ihre” Schule ist. Wer nicht will, dass ihm seine Schule eines Tages fremd ist, kann etwas dagegen tun: Er kann dem Verein der Freunde des Dom-Gymnasiums Freising beitreten.
(Abdruck aus: 175 Jahre Dom-Gymnasium Freising. Freising 2003, S. 165-175.)